Saarland-Wappen

"Schwenken"
eine saarländische Spezialität

Im Sommer ist Hochsaison für die deftige Spezialität.

    Eine launische, nicht ganz ernstgemeinte Betrachtung.

    © Alfred Hein 1999-2024

Der Schwenkbraten ist das heimische Nationalgericht der SaarländerInnen. Neben der Lyoner hat sich der Schwenkbraten die Mägen der Saarländer erobert. Geschwenkt wird im Saarland an jedem Wochenende was das Zeug hält. "Gott lenkt, der Mensch denkt, der Saarländer schwenkt", heißt ein Spruch hier in der Gegend. Dabei vergißt der "Homo saraviensis" allzu leicht, daß nicht er es war, der das Feuer erfand und als erster rohes Fleisch über der Flamme briet. So hart es auch für einen richtigen Saarländer sein mag, die mit rund 400 000 Jahren älteste Feuerstelle mit abgeknabberten Knochen wurde nicht im Saarland, sondern im fernen Peking gefunden!

Dennoch, wenn das Wort "Schwenker" fällt, wirft sich der Saarländer stolz in die Brust und das Wasser läuft ihm im Mund zusammen. Schwenken ist eine saarländische Domäne! Die Schwenkbratensaison ist die eigentliche saarländische Jahreszeit. Sie beginnt an Aschermittwoch und endet am 1. Advent. Kaum steigen im Frühling die Temperaturen, wird das Dreibein aus dem Winterschlaf geholt, der Grillrost mit der Stahlbürste gereinigt und die Kette geölt. Frau/Mutter kauft den Braten - das Fest kann beginnen. Auf jedem Dorffest und auf vielen Privatgrundstücken kann man ihn erschnüffeln - an fast allen Wochenenden. Der appetitanregende Duft zieht einen in die richtige Richtung. Nach wenigen Augenblicken steht man vor einem äußerst rustikalen Schwenkbratenständer, dem "Turm" aller Feste. Fachmänner prüfen mit kritischen Blicken das Feuer und den Bräunungsgrad des Fleisches.

Nicht-Saarländer können verzweifeln: Das Wort "Schwenker" hat gleich drei Bedeutungen. Bei uns kann ein Schwenker am Schwenker stehen und sich um die Schwenker kümmern. Da wäre zuerst einmal der Schwenkbraten. Ob selbst eingelegt oder fertig vom Metzger: vor allem groß und dick muß er sein. Übertreiben sollte man aber nicht. Man rechnet im Saarland pro Person mit zwei Schwenkern, sprich: Schwenkbraten.

Auch der Schwenkbratenständer (ein stählernes Dreibeingestell mit dazwischen aufgehängtem, rundem Grillrost aus Edelstahl) heißt Schwenker. Dabei unterscheidet man allerdings zwischen dem "Schwenker de Luxe" und dem Gekauften. Der erste ist so stabil, daß er jederzeit als Panzersperre einzusetzen wäre. Der Gekaufte ist dagegen ein blasser Abklatsch: Er steht nicht wie eine Eins, und manchmal wackelt er sogar. Ein Unding! - Kein Saarländer lobt ihn. Völlig klar ist der Ursprung des Schwenk-Gestelles: die ersten Geräte dieser Art entstanden während der Arbeitszeit auf saarländischen Hütten und in Gruben-Werkstätten über Tage. Hütten- und Grubenbesitzer stellten mehr oder weniger freiwillig und gerne das Material dazu bereit.

Die dritte Bedeutung für das Wort "Schwenker": der Fachmann am Gerät. Er kennt sich aus, trinkt während des Schwenkens sein Bier und plaudert mit den Gästen, wobei er gerne wortreich seine Spezialitätengeheimnisse preisgibt. Wenn ein solcher Fachmann am Schwenker steht, dann kann man sich selbstverständlich darauf verlassen, daß alles seine Ordnung hat.
Menge und Geschmack stimmen ganz einfach.

Der saarl. Schwenker

 

Ein typischer Vertreter der
saarl. "Schwenker"

Andere können es auch. Aber das Schwenken als Brauchtum ist typisch für das Saarland. Das paßt ganz einfach zu uns. Die Gründe: Schwenker und Schwenkbraten sind rustikal. Sie fördern die Nachbarschaft und das Wir-Gefühl. Sie zeigen auch, daß der Saarländer durchaus innovationsfreudig ist. Jemand, der neu ins Saarland kommt, muß vermuten, daß das Schwenken ein jahrhundertealter Brauch bei uns sei - wie die Passionsspiele in Oberammergau und das Fingerhakeln beim Münchner Oktoberfest. Bislang noch nicht hinlänglich beantwortet ist die Frage nach der Herkunft dieser Spezialität und dem Erfinder des Dreibeins. Vermutlich wurde der Schwenkbraten erst in den siebziger Jahren importiert. Als Hunsrücker "Schaukelbraten" fristete er bis dahin ein klägliches Dasein. Die Saarländerinnen und Saarländer dachten wohl, daß das "mal etwas anderes" sei und haben ihn zu dem gemacht, was er heute ist: ein kulinarisches Erkennungszeichen einer ganzen Region.

Ein Zeichen dafür, daß wir SaarländerInnen nicht nur schwenken, sondern auch denken!

"Geschwenkt" werden kann fast alles was schmeckt: neben den obligatorischen Halskoteletten, Steaks, Lendenfilets, Pute, Hähnchen, Spareribs, Lyoner (wir sind ja im Saarland), Lamm und sogar Fisch. Das eigentliche Geheimnis ist die Marinade, in der das Fleisch oder der Fisch eingelegt oder mit der das Grillgut während des Garens gestrichen wird. Als Beilagen ist frischer Salat in allen Variationen erforderlich, aber auch Folienkartoffeln, Fetakäse in Folie oder gegrillte Tomaten bzw. Maiskolben (mit Butter bestrichen und gesalzen). An Getränken reicht man neben Bier (am besten aus einer der hier ansässigen kleinen Erlebnisbrauereien), Weißwein von der Saar oder Mosel, aber auch kräftige oder frische Rotweine oder eine zur Saison passende Bowle, z.B. Melonenbowle.

Trotz BSE und Schweinepest ist der Schwenkkult im Saarland ungebrochen. Der Schwenkbraten ist jedoch kein Essen für jeden Tag. Kalorienarm ist ein gut durchwachsener Schwenkbraten jedenfalls nicht gerade. Die gereichten Beilagen und Getränke tun hier ein übriges. Aber auch Gesundheitsschäden sind bei unsachgemäßer Ausübung des "Saarsports" nicht auszuschließen! Die Chemie spielt eine unrühmliche Rolle: Wärme begünstigt chemische Reaktionen und so entsteht Benzpyren oder Nitrosamine, die zu den krebserregenden Stoffen gezählt werden müssen. Wichtig ist auch das Brennmaterial. Könner benutzen nur Buchenholz oder Holz von Obstbäumen. Auf gar keinen Fall gehören Spanplatten, geklebtes, verharztes oder lackiertes Holz, Broschüren sowie Kunststoffe ins Feuer. Zum Anzünden auch unbedingt auf chemische Helfer verzichten, am besten geeignet ist klein gespaltetes Zündholz in Verbindung mit unbedrucktem Papier.

Wenn man alle diese Ratschläge beachtet, steht einem rundum gelungenem Gartenfest nach Art der Saarländer nichts mehr im Wege!

Rezept für einen typischen saarländischen Schwenkbraten:

Ausgebeintes Kammfleisch in Scheiben, Zwiebel
Für die Marinade: Öl, Cognac, 1 Teelöffel scharfer Senf, Salz, Pfeffer, Paprika (Ungeübte kaufen eine fertige Mischung!).
Fleisch mit Marinade einpinseln, Zwiebeln in Scheiben dazulegen. 24 Stunden abgedeckt kühl stellen.
Mariniertes Fleisch 10-15 Minuten auf jeder Seite unter ständigem Schwenken grillen. Kurz vor dem Servieren mit einem Schuß (saarländischem) Bier oder Cognac über der Flamme übergießen.

Dazu passt auch gut ein Artikel aus der SZ vom 27.07.2000, den ich hier inhaltlich wiedergebe:

Gerade im Saarland muss alles seine Ordnung haben
oder
der Herr der Schwenker

VON NICOLE MÜLLER

Dass die Deutschen Weltmeister der Bürokratie sind, ist bekannt. Für fast jedes Thema gibt es ein eigenes Amt plus dazu gehörigem Sachbearbeiter.

Die Saarländer schießen dabei in puncto Bürokratie mal wieder den Vogel ab: Denn das Amt für Grünanlagen, Forst- und Landwirtschaft der Stadt Saarbrücken hat für die Vergabe von Grillplätzen extra einen Sachbearbeiter rekrutiert. Hier setzt man nicht etwa auf einen gewöhnlichen "Mann vom Amt", die Stadt hat sich für diese sensible Aufgabe höheren Sachverstand aus der freien Wirtschaft eingekauft: Der "Chef-Grillplatz-Vergabe-Beamte" ist von Haus aus Gastwirt - also ein echter Kenner saarländischer Gemütlichkeit. Ein Anruf beim Amt für Grünanlagen, Forst- und Landwirtschaft, Abteilung Grillplatz-Vergabestelle, genügt übrigens nicht, um sich den städtischen Schwenker-Segen zu holen. Der freundliche Wirt vom Amt gibt zwar gemütlich Auskunft - der schwenkt bestimmt auch. Ein kurzes Schreiben ist dann aber doch nötig, um die Schwenkstätte zu beanspruchen.
Bürokratie - ich hab's gewusst. "Ganz formlos", meint der nette Grillplatz-Hüter vom Saarbrücker Amt beruhigend. Eine formlose Formalität quasi. Okay, es geht ja schließlich um ein ursaarländisches Freizeitvergnügen, und das will gut verwaltet werden. Hmmmm, was die Grillplatz-Vergabestelle wohl im Winter verwaltet?
(Zitatende). Na, denn.....

Sogar die seriöse Wissenschaft hat sich bereits mit dem Thema "Schwenken" befaßt (natürlich die Saar-Universität, Institut für Angewandte Mathematik, in Saarbrücken; wo sonst?). Siehe die wissenschaftliche Abhandlung: Optimale Strategien beim Schwenken von Univ.-Prof. Dr. Alfred K. Louis, Peter Jonas, Dipl.Math. Roman Müller und Dipl.Math. Uwe Schmitt. Den Vortrag anlässlich des "Tags der offenen Tür" 2001 an der Uni des Saarlandes können Sie hier mit freundlicher Genehmigung und Unterstützung von Univ.-Prof. Dr. Alfred K. Louis sehen; es gibt auch noch eine Version mit Bildern, die aber wegen ihrer Grösse den Rahmen der Seite sprengen würde. Wer Interesse an der "Vollversion" hat, kann sich gerne bei mir melden.

Wer hier in einer der Ferienwohnungen seinen Urlaub verbringt, wird - Zeit und gutes Wetter vorausgesetzt - vielleicht einmal zu einem zünftigen Schwenk-Fest eingeladen.

Also, bis dann!

Einige weitere kulinarische "Highlights" aus dem Saarland - frei nach dem hiesigen Motto "Hauptsach gudd gess, geschafft hunn mir flott, denn mir wisse, was gudd es":

 

De:ppenlappes/Dibbelabbes

Kartoffelauflauf mit Zwiebeln, Dörrfleisch und Lauch
im Topf im Ofen gegart

Schaales

wie Dibbelabbes
die Masse wird während des Bratens ständig gewendet und die Kruste untergehoben

Gromperke:ischelcher

Kartoffelpuffer
werden zu Kartoffelsuppe oder mit Apfelkompott gegessen

Hoorische/Stracke

Klöße aus rohen und gekochten Kartoffeln

Gefüllte/Gefillde

Kartoffelklöße (halb und halb) mit einer Füllung aus Hackfleisch und hausgemachter Leberwurst

Buhnensoupp/Buhnensauf

Suppe mit grünen Bohnen und Kartoffeln
dazu wird lauwarmer Quetschenkuchen gegessen

Zurück